Fülszöveg
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„Die Sieben Weltwunder kennen zwar alle durch Erzählungen, doch persönlich gesehen habén sie nur wenige; denn man müßte eine weite Reise ins Land der Perser unternehmen und den Euphrat überqueren, man müßte nach Ägypten und nach Elis in Griechenland ziehen, Halikarnass in Karién aufsuchen, mit dem Schiff nach Rhodos fahren und in Jonien Ephesos besichtigen: nach einer langen Irrfahrt aber quer durch den Erdkreis und von den Beschwerden der Reise ermattet, hätte man dann endlich den Wunsch erfüllt, wenn im Laufe der Jahre das Leben zu Ende geht.
Deshalb ist die Erziehung bewundernswert und ein großes Geschenk, weil sie den Menschen die Beschwerlichkeit des Reisens erspart und ihnen zu Hause das Schöne zeigt, indem sie dem Geist Augen verleiht. Es ist sonderbar: Wer nämlich die Orte aufsucht, sieht sich die Dinge einmal an, und sobald er weggeht, vergißt er sie wieder; denn die genauen Einzelheiten blieben ihm verborgen und die Erinnerung an die Monumente schwindet...
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Fülszöveg
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„Die Sieben Weltwunder kennen zwar alle durch Erzählungen, doch persönlich gesehen habén sie nur wenige; denn man müßte eine weite Reise ins Land der Perser unternehmen und den Euphrat überqueren, man müßte nach Ägypten und nach Elis in Griechenland ziehen, Halikarnass in Karién aufsuchen, mit dem Schiff nach Rhodos fahren und in Jonien Ephesos besichtigen: nach einer langen Irrfahrt aber quer durch den Erdkreis und von den Beschwerden der Reise ermattet, hätte man dann endlich den Wunsch erfüllt, wenn im Laufe der Jahre das Leben zu Ende geht.
Deshalb ist die Erziehung bewundernswert und ein großes Geschenk, weil sie den Menschen die Beschwerlichkeit des Reisens erspart und ihnen zu Hause das Schöne zeigt, indem sie dem Geist Augen verleiht. Es ist sonderbar: Wer nämlich die Orte aufsucht, sieht sich die Dinge einmal an, und sobald er weggeht, vergißt er sie wieder; denn die genauen Einzelheiten blieben ihm verborgen und die Erinnerung an die Monumente schwindet teilweise. Doch wer durch Lektüre die Wunder kennenlernt und die Sorgfalt in der Ausarbeitung, betrachtet das gesamte Kunstwerk wie in einem Spiegel und bewahrt unauslöschliche Eindrücke von jedem der einzelnen Bilder; denn mit der Seele hat er die unbeschreiblichen Dinge geschaut.
Was ich aber sage, wird sich als wahr erweisen, wenn ich in meiner Darstellung die Sieben Weltwunder so genau als irgend möglich der Reihe nach durchgehe und versuche, dem Zuhörer den Eindruck der unmittelbaren Betrachtung zu vermitteln. Nur diese haben den gemeinsamen Namen (Weltwunder), wobei sie zwar in gleicher Weise besichtigt, aber nicht in gleicher Weise bewundert werden. Wenn nämlich etwas Schönheit besitzt gleich der Sonne, macht es die Betrachtung anderer Dinge unmöglich, solange es selbst alles überstrahlt."
Philon von Byzanz
Jeder Leser erinnert sidi noch an seine Schulzeit, an den Geschichtsunterricht, in dem er erstmals von den Weltwundern der Antike hörte, von sieben bedeutenden Kunstwerken, die alle anderen Schöpfungen des mensdilichen Geistes an GrölSe und Pracht übertroffen haben sollen. Mehr als eine vage, mit dem Kriterium des Wunderbaren verbundene Vorstellung dürfte in den meisten Fällen nicht zurückgeblieben sein. Gewöhnlidi werden folgende Monumente aufgezählt: die Pyramiden Ägyptens, die Hängenden Gärten der Königin Semiramis in Babylon, die von Phidias geschaffene Goldelfenbeinstatue des Zeus in Olympia, der Artemistempel in Ephesos, das Mausoleum in Halikarnass, der Koloß von Rhodos und der Leuchtturm in Alexandria. Die erste, im Hellenismus, dem technischen Zeitalter der Antike, aufgestellte Liste der Weltwunder enthielt allerdings den zuletzt genannten Bau nodi nicht; an dessen Stelle ist dort die mächtige Stadtmauer Babylons angeführt. Die ursprüngliche Siebenerreihe wurde schon bald nach ihrem Erscheinen geändert. In der Folgezeit tauchten weitere Listen in immer neuen Variationen auf. Patriotismus und Bewunderung für die Schöpfungen der eigenen Epoche waren wohl die Ursache, daß man einige der Monumente durch andere, oft weniger bedeutende ersetzte.
Über einzelne, im Altertum den Weltwundern zugeredinete Kunstwerke wurde bereits viel geschrieben, andere wiederum sind weiteren Kreisen fast unbekannt. Sehr wenige der berühmten Denkmale haben die Jahrtausende einigermaßen gut überdauert. Der größte Teil der architektonischen Wunder ist heute bis in die Fundamente hinein zerstört. Die einst viel bestaunten kostbaren Bildwerke gingen restlos verloren. Neben den literarischen Berichten geben über sie nur Kopien aus römischer Zeit sowie Abbildungen auf Münzen usw. Auskunft. Das vorliegende Budi behandelt neben den allgemein bekannten sieben größten Sehenswürdigkeiten der Antike auch jene Monumente, die in späterer Zeit als Weltwunder gepriesen wurden. An Hand von
Vissza